Dynamisch schaltbare Gläser – kurzfristiger Trend oder nachhaltige Technologie?
Nahezu täglich liest man neue Objektberichte, in welchen die Verwendung von sogenannten intelligenten Gläsern bzw. dynamisch schaltbaren Gläsern hervorgehoben wird.
Was hat es mit diesen neuartigen Isoliergläsern auf sich?
Für welche Anwendungen ist deren Einsatz sinnvoll?
Welche Kriterien sind in Planung und Ausführung zu berücksichtigen?
Sind die dynamisch schaltbaren Gläser ein kurzfristiger Trend oder nachhaltige Technologie?
Was hat es mit diesen neuartigen Isoliergläsern auf sich?
Es handelt sich um 2- oder 3-fache Isoliergläser mit marktüblichen U-Werten. Dies U-Werte sind statisch. Die schaltbaren Gläser haben aber keinen starren g-Wert. Dieser kann durch „Abdunkeln“ dynamisch variiert werden. Das Schalten kann sowohl automatisch wie auch manuell initiiert werden. Es gibt inzwischen eine überschaubare Zahl von möglichen Anbietern, deren Technologien und Möglichkeiten sich in vielen Kriterien teilweise stark unterscheiden.
Dynamisch schaltbare Gläser ermöglichen eine „Beschattung“, ohne die Nutzerschaft in der freien Sicht zu behindern. Mechanische Beschattungselemente wie Rafflamellenstoren oder Markisen werden nicht mehr benötigt. Der normativ geforderte, minimale g-Werte von ≤ 10% kann in einer vollverglasten Fassade ausschliesslich mit dem schaltbaren Glas erreicht werden.
Derzeit gibt es am Markt zwei Technologien, die für industriell gefertigte, intelligente Mehrfach-Isoliergläser zur Verwendung kommen.
Elektrochrome Gläser arbeiten mit einer hauchdünnen Metallbeschichtung, welche sich durch Anlegen von Strom farblich verändern lässt. Das Glas behält jeweils den gewählten Zustand, sobald der Stromfluss unterbrochen wird.
LC-Gläser funktionieren mit einer Polymer-Flüssigkristall-Schicht, welche sich ebenfalls durch anlegen von Strom verändern lässt. Das Glas muss aber in geschaltetem Zustand ständig unter Strom bleiben. Sobald der Stromfluss unterbrochen wird, fällt es in den Ursprungszustand zurück.
Für welche Anwendung ist deren Einsatz sinnvoll?
Sehr häufig werden die schaltbaren Gläser derzeit in Büro- und Geschäftshäusern eingesetzt. Der Schaltvorgang erfolgt in der Regel automatisch, aufgrund festgelegter Parameter. Nötigenfalls kann die Nutzerschaft manuell schalten oder gar übersteuern.
In windexponierten Lagen kann der Wegfall eines aussenliegenden Sonnenschutzes einen grossen Mehrwert bringen.
Der sommerliche Wärmeschutz ist sehr gut, die solaren Gewinne im Winter bewegen sich aber im unteren Bereich des Wünschenswerten. Aus diesem Grund müssen diese Produkte schon in einer frühen Planungsphase evaluiert werden, damit deren spezifischen Kennwerte im Energienachweis berücksichtigt werden können.
Welche Kriterien sind in Planung und Ausführung zu berücksichtigen?
Viele Kriterien müssen in der Evaluation berücksichtigt werden. Sie müssen sorgfältig, sowohl mit- als auch gegeneinander abgewogen werden.
Eine Auflistung der wichtigsten Kriterien sieht wie folgt aus:
Verwendung
• Büro- und Geschäftshäuser
• Wohnhaus
Der Verwendung in Büro- und Geschäftshäusern ist inzwischen gang und gäbe. Der Einsatz in Wohnhäusern bedarf einer eingehenden Prüfung.
Kosten / Wirtschaftlichkeit
• Gegenüberstellung: Herkömmliche Bauweise mit Beschattung / Dynamische Gläser unter Berücksichtigung von Lebenszykluskosten
• Anzahl identischer Glaselemente
• Nötige und gewünschte Steuerungselemente
• Montageaufwand
• Installationsaufwand
• Inbetriebnahme
Die Kosten hängen sehr stark von der Gestaltung des Bauprojekts ab. Oberstes Ziel in der Planung von Projekten mit dynamisch schaltbaren Gläsern ist, möglichst viele Glaselemente mit identischem Format zu erhalten. Das senkt die zu erwartenden Kosten.
Geometrie der Glaselemente
• Maximale Abmessungen
• Sonderformen
Die maximal herstellbaren Abmessungen variieren stark zwischen den unterschiedlichen Anbietern. Sie werden auch laufend nach oben hin angepasst und müssen demnach immer wieder nachgefragt werden.
Logistik / Bestellmenge / Nachhaltigkeit
• Minimale Bestellmenge
• Herstellungsort
• Lieferfrist
• Garantiezeiten auf Glas, Dynamik und Steuerung
Die teils langen Lieferfristen bedingen eine frühe Bestellung und eine damit verbundene, vorausschauende Terminplanung.
Gestaltung / Ergonomie / Vogelschutz
• Farbeindruck der Gläser bei minimaler / maximaler Abtönung
• Farbwidergabeindex bei minimaler / maximaler Abtönung
• Minimaler / Maximaler Reflexionsgrad
Es gilt, das richtige Produkt für das Bauvorhaben zu evaluieren.
Bauphysik
• U-Wert
• Maximaler / Minimaler g-Wert
• Minimale / Maximale Lichttransmission
Die U- und g-Werte müssen zu einem frühen Zeitpunkt mit der Bauphysik abgeklärt und abgestimmt werden.
Sicherheit
• Personensicherheit (z.B. Absturzsicherheit usw.)
• Brandschutz
Kriterien, die auch bei der Planung mit herkömmlichen Isoliergläsern berücksichtigt werden müssen.
Dynamik
• Schaltzeiten
• Stromverbrauch bei Schaltvorgang bzw. im Standby
• Steuerung In-House oder Cloud
Die Schaltzeiten der dynamischen Gläser der verschiedenen Hersteller variieren auch sehr stark. Ebenso gilt es zu berücksichtigen, welche Strategie für die Steuerung gewählt werden soll. Zentral, dezentral oder Cloud sind die wählbaren Optionen.
Schnittstellen
• Architektur / Gestaltung
• Elektroplanung / Integration ins Gebäudeleitsystem
• Bauphysik / Energienachweis
• Andere Gewerke
Sind die dynamisch schaltbaren Gläser ein kurzfristiger Trend eine nachhaltige Technologie?
Nach unserem Dafürhalten handelt es sich durchaus nicht um einen kurzfristigen Trend. Häufig sprechen die derzeit hohen Investitionskosten gegen eine Wahl von dynamisch schaltbaren Gläsern. Mit grosser Wahrscheinlichkeit werden die Preise in den nächsten Jahren aufgrund zunehmender Konkurrenz, dezentraler Fertigung und steigenden Herstellmengen eher sinken. Sollte es so weit kommen, dass sich die Kosten für dynamisch schaltbare Gläser dem Niveau der herkömmlichen Bauweise annähern, steht der nachhaltigen Technologie nichts mehr im Weg.
Unsere ausgeführten Objekte bisher:
• SisCampus in Schattdorf
• Nietturm in Zürich
• 3M (Oberlichter) in Rüschlikon
• Neumark Oerlikon
• EMPA NEST in Dübendorf
Autor: Marc Küenzi, FACHWERK F+K Engineering AG
Ich interessiere mich für intelligentes Glas